Autor: Jean‑Michel Arnal, Senior Intensivist, Hopital Sainte Musse, Toulon, Frankreich
Datum: 04.12.2023
Eine neue Veröffentlichung beschreibt die Ergebnisse aus der bisher umfangreichsten internationalen Studie zum Management und den Ergebnissen bei der Entwöhnung von Intensivpatienten.
Unter „Weaning“ von der maschinellen Beatmung versteht man die Entwöhnung des Patienten von der Unterstützung durch das Beatmungsgerät und von künstlichen Atemwegen. Die Entwöhnung stellt einen beachtlichen Anteil der Gesamtdauer der invasiven Beatmung von Intensivpatienten dar und hat Auswirkungen auf das kurz‑ und langfristige Behandlungsergebnis (
Alle auf der Intensivstation maschinell beatmeten Patienten über 16 Jahre wurden einem Screeningprozess unterzogen und in die Studie aufgenommen, wenn sie zwei Kalendertage nach Intubation immer noch mit invasiver maschineller Beatmung behandelt wurden. Die Kriterien für die Eignung für eine Entwöhnung umfassten einen FiO2‑Wert unter 50 % und einen PEEP unter 10 mbar. Weiters durften keine oder nur niedrige Dosen Vasopressoren und keine paralysierenden Substanzen verabreicht werden. Der Bewusstseinsgrad des Patienten wurde bei der Beurteilung der Eignung für die Entwöhnung nicht berücksichtigt, da er ein Kriterium für die Extubation ist. Als Start der Entwöhnung wurde der erste Entwöhnungsversuch unabhängig von der eingesetzten Methode definiert bzw. die erste Extubation ohne Entwöhnungsversuch. Die Entwöhnung wurde als erfolgreich bewertet, wenn der Patient infolge der Extubation oder Trennung vom Tracheostomietubus innerhalb der nachfolgenden 7 Tage nicht verstarb oder reintubiert werden musste. Die Eigenschaften des Patienten und die Ergebnisse der Entwöhnung sind in Abbildung 1 dargestellt.
Mehr als 90 % der teilnehmenden Patienten wiesen Anzeichen einer spontanen Aktivität auf und erfüllten die Eignungskriterien für die Entwöhnung bei einem Medianwert von drei Tagen ab Setzen eines Endotrachealtubus. Die Zeit im Median, die zwischen dem Erfüllen der Eignungskriterien für die Entwöhnung und dem ersten Trennungsversuch verstrich, lag bei einem Tag; bei 22 % der Patienten betrug diese Verzögerung jedoch mehr als 5 Tage. Unter den Patienten, die erfolgreich entwöhnt wurden, war die Entwöhnungsdauer bei 77 % kurz (≤ 1 Tag), bei 12 % mittellang (2 ‑ 6 Tage) und bei 11 % lang (≥ 7 Tage).
Zu den demographischen Faktoren, die mit einer Verzögerung von mehr als 1 Tag zwischen dem Erfüllen der Eignungskriterien und dem ersten Trennungsversuch in Verbindung standen, gehörten Schwäche, Aufnahme wegen Trauma und ein nichttraumatisches neurologisches Ereignis. Die Schwere einer kritischen Erkrankung gemäss SOFA‑Score stand auch in Zusammenhang mit einer längeren Verzögerung. Weiters wurden ein kontinuierlicher Einsatz einer neuromuskulären Blockade und die Verwendung mässiger bis starker Sedierung am ersten Tag des Erfüllens der Entwöhnungskriterien mit einem verzögerten Trennungsversuch in Verbindung gebracht.
Faktoren, die zu einem Fehlschlagen der Entwöhnung beitrugen, waren fortgeschrittenes Alter, Schwäche, Immunschwäche, schwere kritische Erkrankung, Herzstillstand, nichttraumatisches neurologisches Ereignis, vorbestehende Begrenzung der Pflege und schwere Atemstörungen. Zwei Faktoren wurden unabhängig voneinander mit einem Fehlschlagen der Entwöhnung in Verbindung gebracht: tiefe Sedierung zum Zeitpunkt des Versuchs der Trennung und eine Verzögerung zwischen dem Erfüllen der Eignungskriterien für eine Entwöhnung und dem ersten Trennungsversuch. Eine Empfindlichkeitsanalyse, bei der auch die Anzahl der Betten auf der Intensivstation berücksichtigt wurde, erbrachte dieselben Ergebnisse.
Ein Fehlschlagen und eine Verzögerung bei der Entwöhnung stellen für den Patienten, seine Angehörigen und das Gesundheitssystem eine Belastung dar. Die WEAN SAFE‑Studie bestätigt, dass sowohl die physiologischen Eigenschaften des Patienten als auch die Entwöhnungspraktiken zu einem Fehlschlagen der Entwöhnung beitragen. Ein Hauptgrund für eine Verzögerung des ersten Trennungsversuchs, die schlussendlich ein Fehlschlagen der Entwöhnung begünstigt, ist das Sedierungsmanagement zum Zeitpunkt des Erfüllens der Eignungskriterien für eine Entwöhnung. Es kann positive Auswirkungen haben, wenn eine mässige oder tiefe Sedierung zum Zeitpunkt der Beurteilung der Entwöhnungseignung möglichst vermieden wird. So kann dadurch die Dauer der invasiven maschinellen Beatmung verkürzt und die Erfolgsrate der Entwöhnung erhöht werden. Ein weiteres Ergebnis der WEAN SAFE‑Studie ist, dass eine Verzögerung bei der Durchführung des ersten Entwöhnungversuchs nach dem Erfüllen der Eignungskriterien mit einem Fehlschlagen der Entwöhnung in Verbindung steht. Manchmal ist die Verzögerung dem Zustand des Patienten geschuldet und es ist gibt gute Gründe dafür, warum der Entwöhnungsversuch nicht durchgeführt wird. In anderen Fällen jedoch liegt die Verzögerung daran, dass die Bereitschaft des Patienten für eine Entwöhnung nicht erkannt wird oder kein Personal für den rechtzeitigen Entwöhnungsversuch zur Verfügung steht. Der aktuelle Mangel an Intensivpflegepersonal, Atemtherapeuten und Ärzten erschwert die Arbeitsverteilung auf der Intensivstation und kann Auswirkungen auf die Entwöhnungsprozesse haben.
Ein Diskussionspunkt ist die Frage, ob der Patient beim ersten Entwöhnungsversuch wach und voll ansprechbar sein muss. Die Autoren vertreten die Ansicht, dass der erste Entwöhnungsversuch stattfinden sollte, auch wenn die Extubationskriterien (Bewusstsein, Husten usw.) nicht erfüllt sind. Somit kann das klinische Personal erkennen, ob der Patient für eine Entwöhnung bereit wäre, und die Sedierung entsprechend absetzen (
Die Beatmungsgeräte von Hamilton Medical stellen einige Hilfsmittel zur Verfügung, um klinisches Personal beim Entwöhnungsprozess zu unterstützen und v. a. zu vermeiden, dass die Bereitschaft des Patienten für die Entwöhnung nicht rechtzeitig erkannt und der Entwöhnungsversuch zu spät durchgeführt wird. Die Grafik „Beatmungsstatus“ ist eine einfache Darstellung der Eignungskriterien für die Entwöhnung (siehe Abbildung 2). Auch ohne fundiertes Fachwissen erkennt das Personal ohne längeres Kombinieren mit einem Blick auf den Bildschirm, ob der Patient für einen Entwöhnungsversuch bereit ist. Bei einer niedrigen Dosierung von Vasopressoren sollte das Fachpersonal die Sedierung aussetzen und einen Entwöhnungsversuch durchführen.
Bei Patienten, die mit INTELLiVENT‑ASV beatmet werden, unterstützt die Funktion „Quick Wean“ mit ihrem automatischen Entwöhnungsprotokoll das Pflegepersonal beim Entwöhnungsprozess. „Quick Wean“ kann aktiviert werden, sobald der Patient wieder spontan atmet, unabhängig von der Sauerstoffzufuhr, dem Ausmass der Druckunterstützung und der Sedierung. Das Beatmungsgerät verringert die Sauerstoffzufuhr, den PEEP‑Wert und die Druckunterstützung im Rahmen der Sicherheitsregeln des jeweiligen Modus, prüft die Eignungskriterien für die Entwöhnung und führt einen Entwöhnungsversuch durch. Der Entwöhnungsversuch wird automatisch abgebrochen, wenn sich die physiologischen Variablen ausserhalb der Zielbereiche befinden. Das klinische Personal muss sich um die Sedierung kümmern und entscheiden, wann der Zeitpunkt für die Extubation gekommen ist.
Zusammenfassend zeigte die WEAN SAFE‑Studie, eine umfangreiche internationale multizentrische Beobachtungsstudie, bedeutende Abweichungen in der Umsetzung der Entwöhnungsprozesse und identifizierte einige anpassbare Faktoren, die die Entwöhnungsdauer verkürzen und den Entwöhnungserfolg verbessern.