Zurück

Asynchronien anhand von Kurven erkennen ‑ Schritt 2

Artikel

Autor: Caroline Brown, Branka Cupic

Datum: 30.09.2022

In der vorherigen Ausgabe haben wir in unserem Tipp für die Arbeit am Patientenbett den Ausgangspunkt für die Identifizierung von Asynchronien anhand von Beatmungsgerätekurven behandelt.

Asynchronien anhand von Kurven erkennen – Schritt 2

Der erste Schritt besteht darin, zu wissen, wie ein normaler Atemhub aussieht und wie Sie eine gute Synchronität zwischen dem Patienten und dem Beatmungsgerät erkennen. Wir haben uns das Konzept der exponentiellen Abnahme angesehen und wie Sie den Anfang einer inspiratorischen Bemühung sowie das gut synchronisierte Ende der Inspiration erkennen.

Der nächste Schritt besteht darin, die gängigsten geringfügigen und grösseren Asynchronien zu identifizieren.

Bevor wir uns näher mit diesen beschäftigen, fassen wir die Prinzipien zusammen, die die Basis für eine systematische Methode der Kurvenanalyse bilden, wie sie von Mojoli et al. angewendet wird: (Mojoli F, Pozzi M, Orlando A, et al. Timing of inspiratory muscle activity detected from airway pressure and flow during pressure support ventilation: the waveform method. Crit Care. 2022;26(1):32. Published 2022 Jan 30. doi:10.1186/s13054‑022‑03895‑41​):

  • Bei einem Patienten mit normalem Atemmuster ist die Inspiration aktiv und die Exspiration passiv.
  • Eine exponentielle Abnahme des Flows zeigt (sowohl für den inspiratorischen als auch den exspiratorischen Flow) einen passiven Zustand an.
  • Bei synchroner Beatmung mit Druckunterstützung sollten nur während der Exspirationsphase des Beatmungsgerätes passive Zustände beobachtet werden.
  • Passive Zustände während der Inspirationsphase des Beatmungsgerätes weisen auf Autotriggerung oder eine verzögerte Einleitung der Exspiration hin.
  • Abweichungen von passiven Zuständen während der Exspirationsphase des Beatmungsgerätes zeigen eine verfrühte Einleitung der Exspiration, ineffektive inspiratorische Atembemühungen oder eine Aktivierung der exspiratorischen Atemmuskeln an.

Geringfügige Asynchronie ‑ Verfrühte Einleitung der Exspiration

Wenn der Patient und das Beatmungsgerät synchronisiert sind und die Einleitung der Exspiration optimal ist, weist die Flowkurve den exspiratorischen Peakflow am Anfang der Exspiration auf, gefolgt von einer exponentiellen Abnahme. Eine verfrühte Einleitung der Exspiration, bei der die Exspiration vor dem Ende der inspiratorischen Atembemühung einsetzt, ist durch eine Verzerrung des exspiratorischen Anfangsflows gekennzeichnet: der normale Peakflow wird durch eine Auslenkung nach oben ersetzt, während die normale exponentielle Abnahme später beginnt (siehe Abbildung 1 unten).

Wenn wir die ösophageale Druckkurve (Pes) als Referenz verwenden, können wir feststellen, dass der Tiefpunkt von Pes (d. h. der Punkt der maximalen inspiratorischen Atembemühung) während der Exspiration auftritt und mit der Auslenkung des Exspirationsflows nach oben korrespondiert. Die exponentielle Flowabnahme beginnt später, nämlich am Ende der inspiratorischen Atembemühung, wie in der Pes‑Kurve zu sehen ist (siehe Abbildung 2 unten). Aus unserem vorherigen Tipp für die Arbeit am Patientenbett wissen wir, dass der schnelle Pes‑Anstieg nach dem Tiefpunkt eine Entspannung der inspiratorischen Atemmuskeln anzeigt und dass der Punkt in der Mitte dieses schnellen Anstiegs als Referenz für das Ende der Inspiration verwendet werden kann.

Kurve mit Auslenkung nach oben
Abbildung 1 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Kurve mit spätem Start der exponentiellen Flowabnahme
Abbildung 2 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)

Geringfügige Asynchronie ‑ Verzögerte Einleitung der Exspiration

Im Falle der verzögerten Einleitung der Exspiration weist die Inspiration zwei Phasen auf. In der ersten Phase wirken der normale synchronisierte Sog durch die Atemmuskeln und der Druck vom Beatmungsgerät, aber die Inspiration wird danach ausschliesslich durch den Druck des Beatmungsgerätes fortgesetzt. Das führt zu einer passiven Inflation. Dies erkennen Sie in der Flowkurve an der verlängerten exponentiellen Abnahme des Inspirationsflows, die nach der ersten Phase des aufsteigenden konvexen Verlaufs auftritt (siehe Abbildung 3 unten).

An der Pes‑Kurve können wir einen Punkt im Anstieg des Pes hinter seinem Tiefpunkt erkennen, der eine klare Änderung der Steigung markiert. Dieser Punkt korrespondiert mit dem Übergang von der synchronisierten Inspiration zur nachfolgenden passiven Inflation, die durch die verzögerte Einleitung der Exspiration verursacht wird (siehe Abbildung 4 unten).

Flowkurve mit verlängerter exponentieller Abnahme
Abbildung 3 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve mit Anstieg hinter dem Tiefpunkt
Abbildung 4 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)

Grössere Asynchronie ‑ Autotriggerung

Bei einem automatisch getriggerten Atemhub löst das Beatmungsgerät den Atemhub ohne eine inspiratorische Atembemühung des Patienten aus. Eine Autotriggerung lässt sich durch Beobachten sowohl der Flow‑ als auch der Paw‑Kurve ermitteln. Es gibt kein Anzeichen für eine inspiratorische Atembemühung des Patienten, weder mit einer klaren negativen Auslenkung der Paw‑Kurve, noch mit einer klaren positiven Auslenkung der Flowkurve (mit Ausnahme minimaler Oszillationen aufgrund von Herztätigkeit (siehe Abbildung 5 unten).

Der stärkste Hinweis für eine Autotriggerung findet sich jedoch in der inspiratorischen Flowkurve, die einen sehr frühen Peak, gefolgt von einer exponentiellen Abnahme aufweist: Die gesamte Inspiration erfolgt aufgrund passiver Inflation. Die Form des Peaks selbst ist ebenfalls ein Indikator: im Falle von passiver Inspiration ist der Peak eine Spitze, während er während der synchronisierten Inspiration eher gekrümmt ist.

Wie bei den Flow‑ und Paw‑Kurven ist auch bei der Pes-Referenzkurve keine negative Auslenkung zu sehen, die normalerweise den Beginn der inspiratorischen Atembemühung anzeigt (siehe Abbildung 6 unten).

Flow- und Druckkurve ohne Patientenaktivität
Abbildung 5 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve ohne negative Auslenkung
Abbildung 6 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)

Grössere Asynchronie ‑ ineffektive inspiratorische Atembemühungen

Eine ineffektive inspiratorische Atembemühung ist eine inspiratorische Atembemühung, die der Patient während der Exspirationsphase des Beatmungsgerätes unternimmt und die nicht erkannt und deshalb vom Beatmungsgerät auch nicht unterstützt wird.

In der Flowkurve können Sie die ineffektive Atembemühung als positive Auslenkung erkennen, die die normale exponentielle Abnahme des Flows vorübergehend unterbricht. In der Paw‑Kurve tritt gleichzeitig eine minimale negative Auslenkung auf (siehe Abbildung 7 unten).

In der Pes‑Referenzkurve können Sie den Anfang und das Ende der ineffektiven inspiratorischen Atembemühung als negative Auslenkung des Pes erkennen, die die normale exspiratorische Abnahme in Pes unterbricht (siehe Abbildung 8 unten).

Flow- und Druckkurve mit gleichzeitiger Patientenaktivität
Abbildung 7 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve mit Unterbrechung der normalen exspiratorischen Abnahme
Abbildung 8 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Übersichtskarte zu Asynchronien

Gängigen Asynchronien auf der Spur. Kostenlose Übersichtskarte

Unsere Übersichtskarte zu Asynchronien gibt Ihnen einen Überblick über die gängigsten Asynchronietypen, ihre Ursachen und wie Sie sie erkennen.

Related articles. Get a deeper look

Kurve mit Auslenkung nach oben
Abbildung 1 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Kurve mit spätem Start der exponentiellen Flowabnahme
Abbildung 2 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Flowkurve mit verlängerter exponentieller Abnahme
Abbildung 3 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve mit Anstieg hinter dem Tiefpunkt
Abbildung 4 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Flow- und Druckkurve ohne Patientenaktivität
Abbildung 5 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve ohne negative Auslenkung
Abbildung 6 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Flow- und Druckkurve mit gleichzeitiger Patientenaktivität
Abbildung 7 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)
Pes-Kurve mit Unterbrechung der normalen exspiratorischen Abnahme
Abbildung 8 (adaptierte Abbildung nach Mojoli et al. Critical Care (2022) 26:32)

Timing of inspiratory muscle activity detected from airway pressure and flow during pressure support ventilation: the waveform method.

Mojoli F, Pozzi M, Orlando A, et al. Timing of inspiratory muscle activity detected from airway pressure and flow during pressure support ventilation: the waveform method. Crit Care. 2022;26(1):32. Published 2022 Jan 30. doi:10.1186/s13054‑022‑03895‑4



BACKGROUND

Whether respiratory efforts and their timing can be reliably detected during pressure support ventilation using standard ventilator waveforms is unclear. This would give the opportunity to assess and improve patient‑ventilator interaction without the need of special equipment.

METHODS

In 16 patients under invasive pressure support ventilation, flow and pressure waveforms were obtained from proximal sensors and analyzed by three trained physicians and one resident to assess patient's spontaneous activity. A systematic method (the waveform method) based on explicit rules was adopted. Esophageal pressure tracings were analyzed independently and used as reference. Breaths were classified as assisted or auto-triggered, double-triggered or ineffective. For assisted breaths, trigger delay, early and late cycling (minor asynchronies) were diagnosed. The percentage of breaths with major asynchronies (asynchrony index) and total asynchrony time were computed.

RESULTS

Out of 4426 analyzed breaths, 94.1% (70.4-99.4) were assisted, 0.0% (0.0-0.2) auto-triggered and 5.8% (0.4-29.6) ineffective. Asynchrony index was 5.9% (0.6-29.6). Total asynchrony time represented 22.4% (16.3-30.1) of recording time and was mainly due to minor asynchronies. Applying the waveform method resulted in an inter-operator agreement of 0.99 (0.98-0.99); 99.5% of efforts were detected on waveforms and agreement with the reference in detecting major asynchronies was 0.99 (0.98-0.99). Timing of respiratory efforts was accurately detected on waveforms: AUC for trigger delay, cycling delay and early cycling was 0.865 (0.853-0.876), 0.903 (0.892-0.914) and 0.983 (0.970-0.991), respectively.

CONCLUSIONS

Ventilator waveforms can be used alone to reliably assess patient's spontaneous activity and patient-ventilator interaction provided that a systematic method is adopted.